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Bürgerliche Freiheit & staatliche Verantwortung


Otto Schily: Die Macht privater Konzerne wie Google und Facebook begreift er als Gefahr
Potsdamer Sicherheitskonferenz: 200 Millionen erbeute Identitätsdatensätze frei im Internet verfügbar

(30.06.15) - Cyberkriminalität löst immense wirtschaftliche Schäden aus. Experten taxieren diese in Deutschland jährlich auf bis zu 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Jedes zweite deutsche Unternehmen war laut Bundesinnenministerium in den vergangenen zwei Jahren Opfer eines Cyberangriffs. "Ein wirklich ernst zu nehmendes Problem", analysierte der Direktor des Potsdamer Hasso-Plattner-Instituts (HPI), Professor Dr. Christoph Meinel. Doch es gebe eine einfache Antwort: "All die Technik nützt nichts, wenn dem Menschen ein flächendeckendes Sicherheitsbewusstsein fehlt", erklärte der Wissenschaftler auf der dritten Potsdamer Konferenz für nationale CyberSicherheit.

Aus seiner Sicht bestehe oftmals geringes Gespür für Internetsicherheits-Aspekte. "Wie? Strahlt denn mein Bildschirm?", sei Meinel einmal auf die Frage nach Sicherheitsvorkehrungen entgegnet worden. Zudem wüssten vor allem Mittelständler nicht, welch ein "Supergau" es wäre, wenn sie Opfer eines Cybereingriffs würden. Jedoch hätten manche hochmoderne Sicherheitstechnik in ihren Geschäftsräumen stehen, die aber oft nicht zu den realen Bedrohungsszenarien passten. "Eine wahre Fundgrube für Cyberkriminelle sind heute auch Smartphones und Tablets", erklärte Staatssekretärin Cornelia Rogall-Grothe vom Bundesinnenministerium.

Als Gegenmaßnahmen empfahlen Redner, das Sicherheitsbewusstsein der Mitarbeiter zu stärken und die Menschen zu sensibilisieren - durch Aufklärung und Weiterbildung. Oft werde es Cyberkriminellen sehr einfach gemacht, digitale Identitäten zu stehlen. "Es ist kaum zu glauben, aber viele User vertrauen wegen Bequemlichkeit auf einfachste Passwörter wie 123456", erklärte Meinel. Das sei schon "mehr als Leichtsinn", denn das Missbrauchspotenzial ist nach Worten des Wissenschaftlers immens. "Mittlerweile sind 200 Millionen erbeute Identitätsdatensätze frei im Internet verfügbar", stellte der Informatikprofessor fest.

Als Sicherheitsschwachstellen in Unternehmen nannte Meinel beispielsweise solche Angestellte, die achtlos und leichtsinnig agierten und über mangelndes Problembewusstsein verfügten. Hinzu kämen Insider, die Zugang zu sensiblen Daten missbrauchten. Weitere Schwachstellen seien falsch konfigurierte Hardware und unzureichende Sicherheitsarchitekturen von Netzwerken.

"Man muss heutzutage kein IT-Fachmann sein, um Cyberangriffe fahren und ins Darknet kommen zu können", erklärte Holger Münch, Leiter des Bundeskriminalamts. Über das Netz könnten sogar entsprechende Hacker-Dienstleistungen eingekauft werden. "Während in den 2000er Jahren die Angriffsszene noch ein Goldfischteich war, ist sie heute ein Haifischbecken", ergänzte der Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Michael Hange."Ähnlich wie man in den 1980er Jahren über AIDS aufgeklärt hat, muss jetzt auch für mehr Cybersicherheit geworben werden", forderte Dirk Arendt von der Firma Check Point Software Technologies. Er habe zwei 16-jährige Zwillingstöchter, die das Thema Internetsicherheit noch überhaupt nicht erreicht habe.

Thoralf Schwanitz, tätig im Bereich Public Policy und Government Relations bei Google Deutschland, betonte insbesondere die Wichtigkeit von Verschlüsselungsmaßnahmen. Zum einen sei Datenverschlüsselung zum Schutz vor Hackern wichtig, zum anderen zwinge sie Regierungen und Behörden, auf rechtsstaatlichem Wege Zugriff auf Daten zu erfragen. Allein in der ersten Jahreshälfte 2010 habe Google 15.000 behördliche Ersuchen im Kontext von Strafverfolgungen erhalten, im Jahr 2014 bereits mehr als doppelt so viele. Diesen Ersuchen werde nach rechtlicher Prüfung in rund 65 Prozent der Fälle nachgegangen. Schwanitz betonte die damit einhergehende unternehmerische Verantwortung: "Keine Regierung, auch nicht die der USA, hat einen wie auch immer gearteten Zugang durch die Hintertür zu Google".

Der frühere Bundesinnenminister Otto Schily betonte auf der HPI-Konferenz, dass persönliche Freiheitsrechte im Internet nicht durch den Rechtsstaat, sondern durch Terrorismus, organisierte Kriminalität und totalitäre Regimes bedroht würden. Auch die die wachsende wirtschaftliche und politischer Macht privater Konzerne wie Google und Facebook begreift er als Gefahr: "Gegen diese Konzentration versagen die Instrumente des Kartell- und Steuerrechts, hier bedarf es weiterer Beschäftigung". Er beklagte, dass Cybersicherheit bei der Festlegung politischer Prioritäten noch nicht den gebührenden Rang einnimmt. Als unzureichend bezeichnete Schily unter anderem die erst im Mai auf den Weg gebrachte Strategie der EU-Kommission zum "Digitalen Binnenmarkt", bei der angemessene Sicherheitsmaßnahmen kaum eine Rolle spielten. Dabei könnte das technologisch hinter den USA zurückgebliebene Europa gerade auf diesem Gebiet ein "Alleinstellungsmerkmal" herausbilden, so Schily.

Die Relevanz des Themas Cybersicherheit wurde durch den im Bundestag erfolgten Beschluss des IT-Sicherheitsgesetzes noch einmal deutlich unterstrichen. Bei diesem Gesetz geht es unter anderem um strengere Internet-Sicherheitsvorschriften für Betreiber kritischer Infrastruktur, wie etwa Banken, Energieversorger oder Verkehrsunternehmen. Im Kern verlangt das Gesetz zum einen die Erfüllung festgelegter Mindeststandards zur Absicherung der Informationstechnik, zum anderen müssen zukünftig schwerwiegende Vorfälle an Behörden gemeldet werden - ansonsten drohen Bußgelder von bis zu 100.000 Euro. Das Gesetz wurde auf der HPI-Konferenz kritisch diskutiert: Wilhelm Dolle von der Unternehmensberatung KPMG etwa erwartet vom Staat mehr Unterstützungsleistungen vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen bei der Absicherung ihrer IT. Auch für Iris Plöger vom Bundesverband der Deutschen Industrie gehen Bußgelder in die falsche Richtung, da Unternehmen ohnehin bereits ein starkes Eigeninteresse an sicherer Infrastruktur hätten. (Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik: HPI: ra)

Hasso-Plattner-Institut: Steckbrief

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Meldungen: Unternehmen

  • Kryptografie wird jetzt zukunftssicher

    Fortschritte bei der Entwicklung leistungsfähiger Quantencomputer haben zuletzt Google in die Schlagzeilen gebracht, auch die Kryptografie hält in diesem Wettlauf das Tempo mit: genua und Partner entwickeln im Projekt QuaSiModO (Quanten-Sichere VPN-Module und Operantionsmodi) Verschlüsselungsverfahren zur Kommunikation via Internet, die der neuartigen Rechenleistung von Quantencomputern standhalten. Denn viele der heute gängigen Krypto-Verfahren werden unsicher, sobald Quantencomputer marktreif sind. Das Ziel des Forschungsprojekts: bis 2022 praxistaugliche Verschlüsselungsverfahren zur sicheren Kommunikation in der aufziehenden Ära der Quantencomputer entwickeln. Projektpartner sind der Netzwerkausrüster ADVA Optical Networking SE, das Fraunhofer-Institut AISEC, die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und der IT-Sicherheitshersteller genua GmbH als Konsortialführer.

  • Dokumentenprüfung & Identitätsfeststellung

    secunet ist langjähriger Partner der Bundespolizei bei der Entwicklung einer modernen Informationsarchitektur für die digitale Polizeiarbeit. Ein Ergebnis der Zusammenarbeit ist die Entwicklung einer "Smart Police App" auf Basis der Software Plattform "secunet biomiddle". Die Applikation ermöglicht einen orts- und endgeräteunabhängigen Zugriff sowie die Verarbeitung polizeilicher Informationen. Ab sofort ist die App auch für iOS verfügbar und steht den Polizeien der Länder zur Verfügung. Bereits seit 2018 setzt die Bundespolizei bei Personenkontrollen in mobilen Einsätzen erfolgreich Apps zur Dokumentenprüfung und Identitätsfeststellung ein. Mit der App "BPOL-Dokumentenprüfung" können Bundespolizisten elektronische Identitätsdokumente (eID) unterwegs flexibel und sicher mit dem Smartphone auslesen und prüfen. Darüber hinaus ist die Verifikation biometrischer Daten, wie z.B. der Vergleich des im Chip gespeicherten Gesichtsbildes mit dem Livebild der Person, möglich.

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    Fortinet gab die Übernahme von CyberSponse, einem führenden Anbieter von Security Orchestration, Automation and Response (SOAR)-Plattformen mit Sitz in Arlington, Virginia, bekannt. CyberSponse, bereits Fortinet Security Fabric-Partner, wird die Automatisierungs- und Reaktionsfähigkeiten von "FortiAnalyzer", "FortiSIEM" und "FortiGate" weiter ausbauen und Security-Vorgänge noch stärker vereinfachen. Die heutige Cyber-Bedrohungslandschaft entwickelt sich ständig weiter. Darüber hinaus trägt die zunehmende Anzahl von Produkten für die Absicherung von Endpunkten zu einer sinkenden Alarmbereitschaft bei. Hinzu kommt oftmals ein Mangel an Cyber-Security-Kenntnissen. Dadurch verschärft sich die ohnehin schon komplexe Security-Umgebung. Um dieser Komplexität entgegenzuwirken, versuchen Unternehmen und Service Provider, ihre Abläufe zu vereinfachen und die Effizienz der heutigen Security Operations Center (SOCs) zu maximieren. Dazu werden Warnmeldungen aus einer Vielzahl von Sicherheitsprodukten konsolidiert und getestet sowie Analysen und sich wiederholende Aufgaben automatisiert. Zudem kommen klar definierte Playbooks zum Einsatz, um eine Reaktion auf Vorfälle in Echtzeit zu ermöglichen.

  • Operationsbasis für weitere Innovationen

    EfficientIP hat von Jolt Capital eine Investitionseinlage in Höhe von 11 Millionen Dollar erhalten, um das weitere Unternehmenswachstum zu unterstützen. Die Investition dient dazu, die internationale Expansion voranzutreiben und das Serviceangebot als Reaktion auf die gestiegene globale Nachfrage nach DDI (DNS, DHCP und IP-Adressmanagement)-Anwendungen strategisch auszubauen. Die Experten von EfficientIP unterstützen Unternehmen, online zu bleiben und sich vor Datenverlust zu schützen, indem sie die Grundlage der IP-Infrastruktur zuverlässig, flexibel und sicher gestalten. Eine wachsende Anzahl angeschlossener Geräte und die Kombination von Cloud- und Inhouse-Computing macht die IT immer komplexer. Vor diesem Hintergrund hilft EfficientIP Unternehmen, Prozesse zu vereinfachen und wettbewerbsfähiger zu werden. "Die Investition macht es möglich, unsere Expansion auf globaler Ebene zu beschleunigen", kommentiert David Williamson, CEO von EfficientIP. "Die Marktchancen für DDI-Lösungen wachsen, und wir möchten diesen Schwung nutzen, indem wir unsere Vertriebsmannschaft verstärken. Das schafft eine Basis, die aktuelle Nachfrage zu befriedigen und weitere Innovationen voranzutreiben, die wirklich wichtig sind, um die Kundenbedürfnisse von morgen weiterhin zu erfüllen. Angesichts der Erfolgsbilanz bei der Skalierung von Technologieunternehmen weltweit ist Jolt Capital ein idealer Partner, um uns in dieser Wachstumsphase zu unterstützen."

  • Debatte zur SSL-Zertifikat-Laufzeit

    Die Debatte um die Laufzeit von SSL-Zertifikaten ist neu entfacht: Einst drei Jahre gültige SSL-Zertifikate müssen mittlerweile alle zwei Jahre ausgetauscht werden. Eine weitere Verkürzung der SSL-Zertifikate-Laufzeit wurde erst im September im CA/B-Forum diskutiert. Die meisten Zertifizierungsstellen sprachen sich dagegen aus - nun hat sich auch Sectigo, ehemals Comodo, zum Thema positioniert. "Ein Hauptargument für die Verkürzung der Lebensdauer von SSL-Zertifikaten war die Sicherheit: Durch Herabsetzung der Gültigkeitsdauer können kompromittierte Zertifikate nicht sehr lange für missbräuchliche Zwecke genutzt werden. Die Zertifizierungsstellen hingegen argumentieren gegen eine Verkürzung der Laufzeit. Gründe sind die hohen Kosten sowie der höhere zeitliche Aufwand, der mit dem Verkürzen der Gültigkeitsdauer für die Kunden einhergeht", fasst Patrycja Tulinska, Geschäftsführerin der PSW Group, zusammen und ergänzt: "Der CA Sectigo ist es nun gelungen, einen Kompromiss zu finden. Die Zertifizierungsstelle stellt als erste wieder 5-Jahres-Zertifikate aus, jedoch ohne die Sicherheit herabzusetzen. Kunde können beim Kauf dieses SSL-Zertifikats durch Rabatte sparen, ohne auf Sicherheit verzichten zu müssen."